Auction 105

15 November 2025

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dem die „malagan“-Schnitzereien ih-

ren Zweck erfüllt haben, werden sie

entweder zerstört, dem natürlichen

Zerfall anheim gegeben oder an Au-

ßenstehende verkauft.

Nach dem Studium der Rechts- und

Wirtschaftswissenschaften trat Al-

bert Hahl 1895 in den deutschen Ko-

lonialdienst ein. Zunächst war er als

Reichsrichter im Bismarck-Archipel

tätig (1896-1898). 1899 übernahm

er das Amt des Vize-Gouverneurs,

1902 dann das des Gouverneurs von

Deutsch-Neuguinea. Bei Konflikt-

lösungen setzte er, statt auf harte

Vergeltungsmaßnahmen, auf die

Einbindung lokaler Würdenträger

(„Luluai“). Hahl gründete mehrere

Regierungsstationen im Bismarck-

Archipel, in Nordost-Neuguinea und

auf den deutschen Salomonen.

Er war ein begeisterter Sammler

lokaler materieller Kultur. Viele der

von ihm gesammelten Artefakte

sind heute in deutschen Museen

wie dem Grassi-Museum in Leipzig,

dem Linden-Museum Stuttgart, dem

Museum Fünf Kontinente in München

und dem Naturhistorischen Museum

Nürnberg zu finden.

Hahl verließ Deutsch-Neuguinea kurz

vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

Nach dem Krieg zog er sich aus dem

Kolonialdienst zurück. Er engagierte

sich weiterhin politisch für die Rück-

gewinnung der deutschen Kolonien,

schloss sich jedoch nie der Welle des

deutschen Nationalismus an.

163  Exzellente „malagan“ Figur,

vor 1899

Holz, Kalk, roter Ocker, schwarzes Pig-

ment, Muscheleinlage, schwarze Mas-

se, Samen, Pflanzenfasern, in schwar-

zer Farbe handschriftlich beschriftet:

„4461 - Dr. Hahl.“, rest., Sockel

Laut Inventarbuch des Linden-Muse-

ums Stuttgart gelangte diese Figur

1899 als Schenkung von Dr. Albert

Hahl in die Bestände des Museums.

Sie ist verzeichnet als „geschnitzte

Holzfigur“ mit historischem Fund-

ort „Neu Mecklenburg, Nord“. Am

06.03.1959 wurde sie im Tausch an

Ludwig Bretschneider abgegeben.

Der Begriff „malagan“ bezieht sich auf

eine komplexe Reihe von Zeremonien

und die damit verbundenen visuellen

Kunstformen.

„Malagan“- Riten markieren fast alle

wichtigen Lebensabschnitte der Be-

wohner Neu Irlands. Ihr ganzes Le-

ben lang versuchen sie Rechte auf

„malagan“- Abbilder und die damit

verbundene Abhaltung von Riten zu

erwerben. Besonders Männer treten

in eine Art Wettstreit, um eine größt-

mögliche Anzahl an „malagan“- Ab-

bildern zu erwerben, ein Besitz, der

ihnen Ansehen und Status einbringt.

Die spektakulärsten „malagan“-

Schnitzereien werden während der

letzten Gedenkzeremonie zu Ehren

eines Verstorbenen angefertigt und

ausgestellt. Diese findet aufgrund

der hohen Kosten und umfangrei-

chen Vorbereitungen oft erst Monate

oder Jahre nach dem Tod einer Person

statt. Ziel der Zeremonie ist es, „den

Tod zu vollenden“. Das geschieht, in-

dem der Verstorbene und seine zu

Lebzeiten erworbenen Verdienste

noch einmal in Erinnerung gerufen

und gewürdigt werden - und er an-

schließend dem Vergessen anheim-

gegeben wird. Dazu ist es notwendig,

dass alle rechtlichen und persönlichen

Angelegenheiten geklärt, dass sein

Landbesitz übertragen und die Nach-

folge seiner Position, die er innerhalb

des Clans und der Gemeinschaft inne-

hatte, geregelt sind. Auf einer mehr

esoterischen Ebene beinhaltet der

Prozess die Zurückgewinnung seiner

Lebenskraft, die während der Fest-

lichkeiten den „malagan“- Objekten

innewohnt und am Ende der Zeremo-

nie reaktiviert und auf die Teilnehmer

übertragen wird.

Das Fest beinhaltet: die Errichtung

eines „malagan“- Hauses als Präsen-

tationsfläche für die hergestellten

„malagan“- Objekte, den Auftritt

maskierter Tänzer, den Austausch

größerer Mengen von Muschelgeld,

ein üppiges Mahl mit Taro, Schwei-

nefleisch und Bananen, das Schlach-

ten einer Vielzahl von Schweinen, die

vor dem „malagan“- Haus in Reihen

auf dem Boden ausgelegt werden,

während angesehene Älteste Reden

halten und den rituellen Austausch

leiten, der die Zeremonie abschließt.

Nach Beendigung des Festes, nach-

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