– 64 –
dem die „malagan“-Schnitzereien ih-
ren Zweck erfüllt haben, werden sie
entweder zerstört, dem natürlichen
Zerfall anheim gegeben oder an Au-
ßenstehende verkauft.
Nach dem Studium der Rechts- und
Wirtschaftswissenschaften trat Al-
bert Hahl 1895 in den deutschen Ko-
lonialdienst ein. Zunächst war er als
Reichsrichter im Bismarck-Archipel
tätig (1896-1898). 1899 übernahm
er das Amt des Vize-Gouverneurs,
1902 dann das des Gouverneurs von
Deutsch-Neuguinea. Bei Konflikt-
lösungen setzte er, statt auf harte
Vergeltungsmaßnahmen, auf die
Einbindung lokaler Würdenträger
(„Luluai“). Hahl gründete mehrere
Regierungsstationen im Bismarck-
Archipel, in Nordost-Neuguinea und
auf den deutschen Salomonen.
Er war ein begeisterter Sammler
lokaler materieller Kultur. Viele der
von ihm gesammelten Artefakte
sind heute in deutschen Museen
wie dem Grassi-Museum in Leipzig,
dem Linden-Museum Stuttgart, dem
Museum Fünf Kontinente in München
und dem Naturhistorischen Museum
Nürnberg zu finden.
Hahl verließ Deutsch-Neuguinea kurz
vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
Nach dem Krieg zog er sich aus dem
Kolonialdienst zurück. Er engagierte
sich weiterhin politisch für die Rück-
gewinnung der deutschen Kolonien,
schloss sich jedoch nie der Welle des
deutschen Nationalismus an.
163 Exzellente „malagan“ Figur,
vor 1899
Holz, Kalk, roter Ocker, schwarzes Pig-
ment, Muscheleinlage, schwarze Mas-
se, Samen, Pflanzenfasern, in schwar-
zer Farbe handschriftlich beschriftet:
„4461 - Dr. Hahl.“, rest., Sockel
Laut Inventarbuch des Linden-Muse-
ums Stuttgart gelangte diese Figur
1899 als Schenkung von Dr. Albert
Hahl in die Bestände des Museums.
Sie ist verzeichnet als „geschnitzte
Holzfigur“ mit historischem Fund-
ort „Neu Mecklenburg, Nord“. Am
06.03.1959 wurde sie im Tausch an
Ludwig Bretschneider abgegeben.
Der Begriff „malagan“ bezieht sich auf
eine komplexe Reihe von Zeremonien
und die damit verbundenen visuellen
Kunstformen.
„Malagan“- Riten markieren fast alle
wichtigen Lebensabschnitte der Be-
wohner Neu Irlands. Ihr ganzes Le-
ben lang versuchen sie Rechte auf
„malagan“- Abbilder und die damit
verbundene Abhaltung von Riten zu
erwerben. Besonders Männer treten
in eine Art Wettstreit, um eine größt-
mögliche Anzahl an „malagan“- Ab-
bildern zu erwerben, ein Besitz, der
ihnen Ansehen und Status einbringt.
Die spektakulärsten „malagan“-
Schnitzereien werden während der
letzten Gedenkzeremonie zu Ehren
eines Verstorbenen angefertigt und
ausgestellt. Diese findet aufgrund
der hohen Kosten und umfangrei-
chen Vorbereitungen oft erst Monate
oder Jahre nach dem Tod einer Person
statt. Ziel der Zeremonie ist es, „den
Tod zu vollenden“. Das geschieht, in-
dem der Verstorbene und seine zu
Lebzeiten erworbenen Verdienste
noch einmal in Erinnerung gerufen
und gewürdigt werden - und er an-
schließend dem Vergessen anheim-
gegeben wird. Dazu ist es notwendig,
dass alle rechtlichen und persönlichen
Angelegenheiten geklärt, dass sein
Landbesitz übertragen und die Nach-
folge seiner Position, die er innerhalb
des Clans und der Gemeinschaft inne-
hatte, geregelt sind. Auf einer mehr
esoterischen Ebene beinhaltet der
Prozess die Zurückgewinnung seiner
Lebenskraft, die während der Fest-
lichkeiten den „malagan“- Objekten
innewohnt und am Ende der Zeremo-
nie reaktiviert und auf die Teilnehmer
übertragen wird.
Das Fest beinhaltet: die Errichtung
eines „malagan“- Hauses als Präsen-
tationsfläche für die hergestellten
„malagan“- Objekte, den Auftritt
maskierter Tänzer, den Austausch
größerer Mengen von Muschelgeld,
ein üppiges Mahl mit Taro, Schwei-
nefleisch und Bananen, das Schlach-
ten einer Vielzahl von Schweinen, die
vor dem „malagan“- Haus in Reihen
auf dem Boden ausgelegt werden,
während angesehene Älteste Reden
halten und den rituellen Austausch
leiten, der die Zeremonie abschließt.
Nach Beendigung des Festes, nach-
PAPUA NEW GUINEA - BISMARCK ARCHIPELAGO -
NEW IRELAND